Gesunde FührungRollenklarheit und Transparenz sind Schlüsselfaktoren

„Der Fisch stinkt von Kopf her“ heißt es oft, wenn in einem Team oder in einer Organisation etwas nicht optimal läuft. Und tatsächlich haben Führungskräfte Einfluss darauf. Da bilden Kitas keine Ausnahme. Um ein positives Signal für die Beschäftigten zu setzen, brauchen Leitungskräfte allerdings auch selbst gute Bedingungen, erklärt Dr. Sabine Gregersen.
Eine Gruppe im Gespräch.

Frau Dr. Gregersen, warum reicht es nicht aus, wenn Kitaleitungen oder Kitaträger den Beschäftigten zum Beispiel Zuschüsse zu Fitnesskursen gewähren und das Thema Gesundheit damit abhaken?

Die Einflussfaktoren auf die Gesundheit sind vielfältig. Es ist mehrfach belegt, dass die Gesundheit der Beschäftigten in Zusammenhang mit ihrer Arbeit steht. Natürlich ist „Arbeit“ nur ein Faktor unter mehreren, aber durchaus ein zentraler. Führungskräfte sind Gestalter von Arbeitsbedingungen und stellen selbst eine Arbeitsbedingung dar. Letztlich kann eine Führungskraft auch nur an dieser Stelle Einfluss nehmen; sie sollte diese Chance und ihren Spielraum auf jeden Fall nutzen. Es geht also darum, im Hinblick auf Gesundheit diejenigen Aspekte, die sich gestalten lassen, positiv zu gestalten. 

Das klingt einleuchtend. Worin bestehen die Schwierigkeiten in der Umsetzung dieses Gedankens?

Es ist gut möglich, dass Personen mit Leitungsfunktion in einem Rollenkonflikt stecken: Sie sind nicht mehr Teil des normalen Kitateams, fühlen sich aber auch in ihrer Führungsposition nicht zu Hause. Das bringt Herausforderungen mit sich, die diese neuen Führungskräfte annehmen und akzeptieren müssen. Um diese Rolle auszufüllen, sind oft weitere und andere Qualifikationen notwendig. Zudem ist die Situation in den Kitas selbst schwierig, wenn man den Fachkräftemangel, die Pandemiefolgen sowie die gestiegenen Erwartungen der Politik und nicht zuletzt der Eltern an die Fachkräfte bedenkt. Das sind viele Baustellen, um die sich eine Kitaleitung kümmern muss. 

Sind Kitaleitungen demnach stärker belastet als die übrigen pädagogischen Fachkräfte, weil zu den ohnehin bestehenden Belastungen noch der Rollenkonflikt hinzukommt?

Ganz allgemein stehen Führungskräfte unter einem erhöhten Zeitdruck und haben eine höhere Arbeitsintensität als die Beschäftigten ohne Leitungsfunktion. Das ist ein Stressor. Auf die positive Seite zahlt ein, dass sie mehr Spielraum haben und eigene Prioritäten setzen können, etwa den Ablauf ihres Arbeitstages freier gestalten können. Wir wissen allerdings, dass die Balance zwischen Stressoren und Ressourcen bei vielen Kitaleitungen nicht stimmt. Sie befinden sich oft in einer Zwickmühle, da sie häufig nicht ausreichend Zeitressourcen für ihre Leitungsaufgaben zur Verfügung gestellt bekommen, zudem im Gruppendienst tätig sind und auch die durch den Träger an sie herangetragenen Aufgaben bewältigen müssen. Da sind gute Entscheidungen schwierig. 

Was meinen Sie damit?

Die Kitaleitung befindet sich häufig in einem Dilemma. Ganz typisch: Eine Krankmeldung kommt rein, die Gruppe ist unterbesetzt. Was jetzt? Schließe ich die Gruppe? Dann sind die Eltern verärgert. Springe ich selbst ein? Die Ressourcen habe ich eigentlich nicht. Ziehe ich eine Erzieherin aus der anderen Gruppe ab mit der Konsequenz, dass deren Ausflug nicht stattfinden kann und die Kinder enttäuscht sind? Dann trägt der Träger vielleicht noch Ideen an die Leitung heran, die sie umsetzen soll, wozu sie jedoch das ohnehin überlastete Team gewinnen müsste. Solange eine Kitaleitung versucht, es allen recht zu machen, kann es ihr selbst nicht richtig gut gehen.

Welchen Ausweg sehen Sie?

Ein zentraler Punkt ist, den Kitaleitungen ausreichende Zeitressourcen für Leitungstätigkeiten einzuräumen. Außerdem muss die Leitungskraft akzeptieren, dass es häufig keine gute Entscheidung geben kann, die alle zufriedenstellt. Man kann nicht immer allen gerecht werden. Das anzuerkennen hilft ungemein und entlastet auch. Wichtig ist, allen Betroffenen gegenüber transparent zu machen, warum eine Entscheidung so ausfällt, wie sie ausfällt. Das alles klingt in der Theorie vielleicht einfach, ist es in der Praxis aber nicht. Es gibt dennoch Wege, die nötigen Kompetenzen zu trainieren.

Gehen wir davon aus, dass die Kitaleitung für sich Strategien gefunden hat, gut mit ihren eigenen Belastungen umzugehen – wie kann dann eine gesundheitsförderliche Führung aussehen?

Der Dreh- und Angelpunkt ist Kommunikation: die Besprechungskultur überdenken und überlegen, wie das Team und die Leitung in einen Austausch zur Gesundheits- und Arbeitssituation kommen können. Etwa, welches Format sich anbietet, um darüber zu sprechen, was gut und weniger gut läuft, was die Beschäftigten brauchen, wie es ihnen geht. Das geht im Alltag oft unter. Deshalb sollte es Bestandteil jeder Dienstbesprechung sein – das muss nicht bedeuten, dass man lange darüber redet, sondern effektiv. Es genügen Fragen wie: Was funktioniert gut, was nicht? Was braucht ihr, damit Dinge besser laufen können? Die Zeit sollte man sich nehmen – und dann auch weiterverfolgen, was daraus wird, und am Ball bleiben.  

Das heißt, Aktionen wie ein Kurs zu rückengerechtem Arbeiten sind eher ein „Nice-to-have“ für die Gesundheit der Beschäftigten, zuerst muss als Basis eine gemeinsame Teamkultur geschaffen werden?

Das würde ich so nicht sagen. Es gibt durchaus unterschiedliche Herangehensweisen, aber leider kein Patentrezept, das man für jede Einrichtung und jedes Team anwenden kann. Allerdings: In dem Moment, in dem ich als Beschäftigte merke, dass meine Leitung meine Gesundheit in den Mittelpunkt stellt, weil sie möchte, dass es mir bei der Arbeit besser geht und dass meine Arbeitsbedingungen so gestaltet sind, dass ich gesund arbeiten kann, dann ist das ein Türöffner für eine Verbesserung. Habe ich aber den Eindruck, jetzt machen „die da oben“ wieder nur ein Projekt, weil es vorgeschrieben ist, dann kann dies die Situation verschlechtern. Ein guter Einstieg könnte die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen sein. Kitaleitungen sollten zudem lernen, gut für sich selbst zu sorgen, für ihre Gesundheit achtsam zu sein und Gesundheit als Wert zu erkennen. Dahinter steht der Gedanke: „Wie kann ich achtsam sein für andere, wenn ich es nicht für mich selbst bin?“ 

Raten Sie dazu, dass sich Kitaleitungen gerade im Bereich der gesunden Führung zusätzlich qualifizieren?

Das wäre sehr wichtig. Hier sehe ich auch die Träger in der Verantwortung, ein Führungsleitbild als Grundlage für die Organisations- und Personalentwicklung zu entwerfen. In Bezug auf die Gesundheitsförderung der Beschäftigten, die Leitungen ein-geschlossen, besteht zudem die Möglichkeit, sich durch ihren zuständigen Unfallversicherungsträger oder auch eine Krankenkasse Unterstützung zu holen.

Die Fragen stellte Stefanie Richter

Weitere Informationen

Gefährdungsbeurteilung psychischer Gesundheit: Wie Sie psychischen Belastungen entgegenwirken; Beitrag in KinderKinder 1/2022:
kurzelinks.de/7ex1

  Dr. Sabine Gregersen beschäftigt sich bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) unter anderem mit der Frage, wie eine gesunde Führung im Gesundheits- und Sozialwesen, also auch in Kitas, aussehen sollte.

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