Klimafolgen im Kita-AlltagEs wird nicht nur wärmer

Die Folgen des Klimawandels sind die größte gesundheitliche Herausforderung des 21. Jahrhunderts – so die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Kinder sind davon besonders betroffen, nicht nur, weil sie insgesamt vulnerabler als Erwachsene sind. Wie können Kitas dem Rechnung tragen?
Zwei Hände halten einen kleinen Globus.

KURZ GESAGT!

_Auch Kitas müssen sich den Herausforderungen stellen, die der Klimawandel mit sich bringt

_Technische und organisatorische Maßnahmen können Belastungen durch Hitze reduzieren

_Mentale Gesundheit stärken: Wir sind nicht hilflos!

Der Klimawandel ist längst Realität – einige Folgen sind deutlich sicht- und spürbar: Die Sommer sind heißer, Extremwetterlagen nehmen zu, Allergiegeplagte stöhnen schon im Januar, denn die Pollensaison beginnt früher und dauert länger. Andere Auswirkungen sind weniger offensicht-lich. So nehmen die Luftschadstoffe (etwa bodennahes Ozon) zu und wir bekommen es zunehmend mit für unsere Breiten ungewohnten Krankheiten zu tun, die durch Mücken oder andere Tiere hervorgerufen werden. Dies sind Herausforderungen, denen sich auch Kitas stellen müssen.

Quasi symbolisch für den Klimawandel steht für den Präventionsexperten der Unfallkasse Nord, Thorsten Vent, die Ausbreitung des Eichenprozessionsspinners. Dieser kleine, unauffällig braune Falter liebt eigentlich wärmere Gefilde, kommt nun aber auch in Norddeutschland vor. Problematisch sind weniger die Falter – die Raupen allerdings sind mit feinsten, giftigen Härchen besetzt, die schwere allergische Reaktionen auslösen können. „Wenn die Raupen in Eichen auf einem Kitagelände sitzen, dürfen die Kinder nicht nach draußen, bevor die Tiere restlos entfernt sind“, klärt Thorsten Vent über die Konsequenzen auf. „Die Nester müssen von speziell ausgebildeten Fachleuten komplett entfernt werden, meistens geschieht das mit einem Spezialsauger.“ Problematisch ist, dass sich die Haare in einem großen Umkreis um das Gespinst befinden können und auch noch monate- bis jahrelang eine potenzielle Gefahrenquelle darstellen. In den südlichen Bundesländern, wo man schon seit einigen Jahren Erfahrung mit den Tieren hat, setzt man eshalb vermehrt auf Prävention: Eichen werden mit einem biologischen Insektenbekämpfungsmittel behandelt, das gezielt die Eier und Raupen bekämpft.

Allergien, neue Krankheiten, Hitze

Nicht nur Raupenhaare sind problematisch. Dr. Julia Schoierer ist Medizinpädagogin am Klinikum der LMU in München und der Agentur ecolo in Bremen und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Folgen des Klimawandels auf verschiedene Personengruppen. Sie macht deutlich: „Die gesamte Allergiesaison hat sich verlängert, außerdem breiten sich Pflanzenarten wie Ambrosia aus, die ein extrem hohes Allergiepotenzial haben. Wir beobachten auch bereits im Januar, Februar erste durch Zecken hervorgerufene FSME-Fälle, sogar im Norden Deutschlands.“ Auch hier verschieben sich die Verbreitungsgebiete. Sie warnt: „Wir müssen sogar damit rechnen, dass mittelfristig Krankheiten wie das Denguefieber deutlich zunehmen werden.“ Der Erreger des Denguefiebers wird durch Mücken übertragen.

Das derzeit drängendste Problem für Kitas sieht die Expertin allerdings in der zunehmenden Hitze. „Das betrifft sowohl die Kinder als auch die Beschäftigten – wobei natürlich Kinder deutlich vulnerabler sind.“ Vulnerabler, also verletzlicher und empfindlicher gegenüber starker Hitze sind Kinder, weil unter anderem ihre Temperaturregulation noch nicht so gut funktioniert wie die von Erwachsenen (siehe KinderKinder 2/24). Hitzeschutzkonzepte sind deshalb unerlässlich – und gleichzeitig schwierig umzusetzen, da wenig Spielraum besteht, was die Verschiebung von Aktivitäten in weniger heiße Tageszeiten angeht. Man kann den Kindern das Toben um die Mittagszeit kaum verbieten. „Aber man kann beispielsweise in einen Park mit großem Baumbestand ausweichen, also ins Grüne gehen, und den kühlen Schatten abseits von größeren Straßen aufsuchen“, schlägt Dr. Schoierer vor. Und selbstverständlich sind Kitaträger gefordert, mit technischen und organisatorischen Maßnahmen Hitzebelastungen vorzubeugen. Als Grundlage dafür sollte eine Gefährdungsbeurteilung herangezogen werden und die Kitas sollten Hitzeschutzkonzepte erstellen.

Mentale Gesundheit nicht außer Acht lassen

Neben all den sicht- und spürbaren Risiken durch die Folgen der zunehmenden Erderwärmung bringt die Medizinpädagogin einen weiteren Aspekt ins Gespräch: „Wir übersehen häufig, dass wir auch die mentale Gesundheit der Kinder im Blick behalten müssen.“ Tatsächlich gibt es inzwischen das Phänomen der „Klimaangst“. „Manche Kinder haben bereits Überschwemmungen erlebt oder zumindest davon gehört. Viele kennen heftige, ja extreme Wetterlagen. Das kann durchaus traumatisieren“, erklärt Julia Schoierer. „Aber es gibt auch eine diffuse Unsicherheit oder Angst, dass den Erwachsenen die Kontrolle entgleitet. Das kann sich an Fragen zeigen, ob bald alle Eisbären sterben müssen.“

Deshalb sei es wichtig, dass Erwachsene darauf achten, wie sie mit Kindern über die Klimakrise sprechen und wie sie das Thema einordnen. Es mache einen Unterschied, ob eine Erzieherin ein Katastrophenszenario zeichne oder aber dem Ohnmachtsgefühl, das durchaus zulässig sei, Zuversicht entgegensetze: „Ja, es wird sich etwas verändern, aber wir können uns anpassen und wir sind nicht hilflos.“ Deutlich könne das in der Kita etwa durch Projekte und Aktionen werden, die konkrete Handlungsmöglichkeiten aufzeigen – zur Klimaanpassung, aber auch zum Klimaschutz. Und die sind vielfältig: Müll vermeiden, Upcyclingprojekte, Blühwiesen für Insekten einrichten – oder aber auch organisatorisch-konzeptionell, indem etwa Speisepläne, Energieverbrauch und der Umgang mit Ressourcen genauer unter die Lupe genommen werden. „Kitas können auch Fahrradständer aufstellen und Familien so ermutigen, sich mit dem Rad auf den Weg zur Kita zu machen. Oder bei Kitafesten auf Einmal-Geschirr verzichten.“

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