Umweltschutz im Kita-AlltagKonsequent nachhaltig

Die Kita im niedersächsischen Rehlingen ist mit ihren 23 Kindern zwar sehr klein, aber in Sachen Umweltschutz und Schonung von Ressourcen kann sie für viele Einrichtungen ein großes Vorbild sein.
Sabine Pöhler schaut in die Eimer von drei Kindern.

KURZ GESAGT!

_Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind fester Bestandteil des Kitakonzepts

_Feste Naturtage im Wochenplan

_Kinder lernen durch Vorbilder und Projekte

Jonte steht vor einem „Berg“ und jammert. Er motzt und ist sichtlich aufgebracht, denn er möchte wie die anderen Kinder auf dem Hügel aus aufgeschütteter Muttererde spielen. Doch die Stelle, die er sich für den Aufstieg ausgesucht hat, ist für den Dreijährigen zu steil. „Jonte, krabbel doch auf allen vieren rauf oder suche dir eine Stelle, die weniger steil ist“, schlägt Sabine Pöhler vor, aber Jonte will nicht. Die Leiterin des Kindergartens Rehlingen bleibt gelassen – und Jonte am Fuße des Hügels, bis sich die beiden Vorschulmädchen Mathilda und Pinar erbarmen, ihn an die Hand nehmen und nach oben bugsieren. Von dort lassen sie sich wieder hinunterkullern, während Jonte die Aussicht genießt und dann selig zu buddeln beginnt.

Gemeinsam klappt es. Endlich kann Jonte den Berg hinaufkraxeln.

Heute ist Freitag, und zwar Black Friday. Am Black Friday wissen die Eltern: Heute holen wir glückliche, aber vermutlich ziemlich schmutzige Kinder aus der Kita ab, denn sie haben stundenlang auf dem „Berg“ gespielt. „Eigentlich hätte der Erdaushub, der nach dem Neubau angefallen war, abtransportiert oder eingeebnet werden sollen“, erzählt Sabine Pöhler. „Aber die Kinder haben den Hügel als großartigen Naturspielplatz entdeckt.“ Und deshalb darf der „Berg“ bleiben. Der Kindergarten liegt in dem ruhigen Örtchen Rehlingen, das zur Gemeinde Amelinghausen gehört – eingebettet in die Natur der Lüneburger Heide. Ringsum sind Wiesen, Weiden, Wälder. Die Umgebung lädt zum Entdecken ein. „Wir nutzen diese schöne Lage intensiv“, berichtet Pöhler. „Jeden Dienstag machen wir einen Ausflug in die Umgebung.“ Dabei geht es zu einem von fünf Lieblingsorten der Kinder – etwa in den „Wippwald“, eine Stelle im Wald mit wippenden Baumstämmen, die von den Kindern liebevoll so benannt wurde. Wohin der Ausflug führt, entscheiden die Kinder im Vorfeld selbst.

Umweltschutz als Kernelement

Da die allermeisten Kinder ohnehin nicht direkt aus dem Ort kommen, sei es logistisch auch relativ unproblematisch, manchmal zu etwas weiter entfernten Zielen aufzubrechen. „Wir regen die Eltern aber immer an, Fahrgemeinschaften zu bilden“, macht Sabine Pöhler deutlich. Denn der Umweltgedanke zieht sich durch alle Bereiche der Einrichtung – weit über das reine Erleben von Natur oder die bewusste Wahrnehmung der Jahres-zeiten hinaus. „Natur ist sicher einer unserer Schwerpunkte, zwei Kolleginnen sind auch ausgebildete Naturpädagoginnen. Aber uns geht es um Nachhaltigkeit – insgesamt.“ Deshalb nimmt das Team regelmäßig an Fortbildungen teil.

Ein mittelfristiges Ziel: die Auszeichnung als Naturpark-Kita. Der bewusste Umgang mit Ressourcen ist fest im Alltag verankert – in jeder Hinsicht. Wie in vielen Kitas ist der Papierverbrauch in der Malecke auch hier hoch. Deshalb werden die Papierbögen doppelseitig bemalt, und auch die Rückseiten bedruckter Blätter dienen noch als Unterlage für Kunstwerke und Kritzeleien. „Wir haben außerdem die Menge an Bastelmaterial drastisch heruntergefahren, nutzen erst mal, was wir noch im Bestand haben oder auch Alltagsgegenstände wie Verpackungen, Eierkartons und so weiter.“ Glitzerpapier, Bügelperlen, Goldfolie – Fehlanzeige. Auch Büromaterial wird nur in Maßen gekauft, die Stifte sind nachfüllbar, Papier aus recyceltem Material. „Es sind nur Kleinigkeiten“, meint Sabine Pöhler, „aber es ist konsequent.“

Wann immer möglich und sinnvoll wird auf Neuanschaffungen verzichtet, auch bei Verbrauchsmaterial. Aus leeren Verpackungen lassen sich die tollsten Roboter basteln.

Auch mit den Kindern werden Themen wie Plastikvermeidung oder saisonale und regionale Ernährung immer wieder aufgegriffen – oft ganz nebenbei, etwa beim gemeinsamen Frühstück.  Ständig im Einsatz seien die Kinder als „Energiedetektive“, die darauf achten, dass das Licht ausgemacht und Wasser nur in Maßen verbraucht wird. „Wir erklären den Kindern auch, warum es bei der Toilettenspülung zwei Tasten gibt oder warum man beim Händewaschen das Wasser nicht durchlaufen lässt“, sagt Pöhler. Um Energie zu sparen, wurden die Heizungen konsequent heruntergeregelt. Wunsch des Teams: eine elektronische Steuerung zur intelligenten Heizungsregulierung. Gewaschen wird möglichst nur einmal pro Woche, der Trockner läuft nur noch in Ausnahmefällen. All das ist letztlich auch gelebter Klimaschutz. Ob regionaler Caterer, konsequente Müllvermeidung und -trennung, Spielsachen und Verbrauchsmaterial – der Anspruch auf Schonung der Ressourcen zieht sich wie ein roter Faden durch den Kita-Alltag.

Überall, wo es möglich ist, wird auf nachhaltige Alternativen umgestellt und bei Spielzeug oder Kleinmöbeln erst mal der Hausmeister oder Eltern um Hilfe bei der Reparatur gebeten, statt direkt etwas Neues anzuschaffen. Das Ziel: so umwelt- und klimafreundlich wie möglich handeln. „Wir kaufen auch mal Dinge auf dem Flohmarkt“, erzählt Sabine Pöhler. Überhaupt, findet sie, seien viele Dinge wie Spielzeug, Kinderwagen oder Kleidung beim Aussortieren durch die Familien oft in so gutem Zustand, dass sich andere darüber noch freuen können. Der Versuch, eine Tausch- oder Verkaufsbörse über ein Schwarzes Brett zu organisieren, verlief zwar wenig erfolgreich – doch nun plant sie ein festes Tauschregal und hofft auf mehr Zuspruch. Die Eltern werden an vielen Stellen einbezogen, etwa bei der Abschlussveranstaltung des jährlichen Umweltprojekts.

Von Eichhörnchen, dem Umweltmonster und Wölfen

Denn neben den vielen ganz alltäglichen Dingen gibt es auch einmal im Jahr ein sich über mehrere Wochen erstreckendes Projekt. Mal geht es um Eichhörnchen, mal berichtet ein kleines, freundliches Umweltmonster namens Knud über Müllvermeidung und Umweltschutz. „Ein tolles, aber sehr aufwendiges Projekt, denn Knud ist eine Puppe, die von den Kolleginnen gespielt und gesprochen wird und die dann an vielen Stellen im Kita-Alltag auftaucht und mit den Kindern interagiert. Das muss gut vorbereitet werden, macht aber allen großen Spaß. Die Kinder finden es toll, dass sie diejenigen sind, die Knud etwas beibringen können, denn der ist ein bisschen unbedarft.“

Dieses Jahr wird es jedoch um den Wolf gehen. Und ja, es gibt eine Menge Wölfe in der Lüneburger Heide. Grund genug, mit ein paar Vorurteilen aufzuräumen. Sabine Pöhler freut sich sichtlich auf das bevorstehende Projekt. Begleitet wird es auch durch eine Reihe guter (Bilder-)Bücher in der kitaeigenen Kinderbibliothek. Zum Ende des Projekts werden die Eltern zu einem Präsentationsnachmittag eingeladen. Gibt es etwas zu feiern, bringen die Familien übrigens ihr eigenes Geschirr und Besteck mit. „Einweg- oder Plastikgeschirr gibt es bei uns schon lange nicht mehr.“ Außerdem, meint die Kitaleiterin schmunzelnd, spare man sich so auch das Abwaschen.  

Gemeinsam mit Eltern habe man auch das Außengelände bepflanzt und eine Blühwiese für Insekten angelegt – die jetzt im April noch brach liegt, ebenso wie die Hochbeete, in denen später im Jahr Tomaten, Paprika, Spinat und anderes leckeres Gemüse reifen wird. Jetzt erwacht der Garten erst langsam zu neuem Leben. Für die Kinder ist das kein Problem, denn sie finden bei ihren Abenteuern auf dem Berg, einem tollen Kletterbaum und dem Gelände des benachbarten Spielplatzes rund ums Jahr genügend Abwechslung. Jetzt haben sie Bonbonpapier entdeckt, das jemand achtlos hat fallen lassen. Schnell flitzt die kleine Gretje zu einer Erzieherin und lässt sich die Müllzange und zwei Eimerchen geben. Reihum sammeln die Kinder Einwickelpapier und anderen Abfall auf. „Ich will auch!“, ruft Mattis. Nach 20 Minuten sind beide Eimer gut gefüllt – und der Spielplatz wieder sauber. „Das ist übrigens auch so, wenn die Kinder mit ihren Eltern unterwegs sind“, erzählt Sabine Pöhler lachend. „Da wird genauso fleißig Müll gesammelt.“ Mit Jonte, Gretje, Mattis, Mathilda, Pinar und ihren Spielkameradinnen und -kameraden wächst in Rehlingen eine Generation heran, für die Umwelt- und Klimaschutz selbstverständlich ist – und die sich demnächst auch bestens mit Wölfen auskennen wird.

Die Müllzange ist begehrt. Wenn Pinar das Bonbonpapier damit aufgesammelt hat, ist Mathilda an der Reihe.

Aktuelle Neuigkeiten sowie nützliche Informationen erfahren Sie in unserem News-Archiv.
Mehr News

ePaper

Aktuelle Ausgabe

  • Nicht erst, wenn etwas passiert ist
  • „So – er lebt jetzt wieder!“
  • Vorbereitet auf das, was hoffentlich nie eintritt
  • Was Sie für Ihr Notfallmanagement brauchen

ePaper Archiv

Sie interresieren sich für ältere ePaper-Ausgaben?

Dann schauen Sie einfach hier in unserem Archiv vorbei.

Mehr erfahren